Allgemeinmediziner Lukas Heschl ist ein profunder Kenner und Befürworter neuer Primärversorgungsmodelle, die sich in Organisation und Finanzierung teilweise erheblich von der bekannten Form einer Ordination traditioneller Hausärzte und deren Selbstverständnis unterscheiden. Vor allem die Politik forciert eine Veränderung der bisherigen medizinischen Versorgung. Die Ärzteschaft, zumeist im „Niedergelassenen Bereich“, ist in dieser Thematik noch sichtlich gespalten. Im Folgenden berichtet Dr. Heschl von seinen Eindrücken einer einschlägigen Veranstaltung in der steirischen Landeshauptstadt. 

Im Rahmen des alljährlichen Primärversorgungskongresses in Graz trafen sich vom 01.10 bis 02.10 Gesundheitsberufe aus allen Sparten, um sich über den Stand der Primärversorgung in Österreich auszutauschen. Das Thema war „Wie rund läuft die Primärversorgung? Plan – Do – Check – Act: ein Grund für diese Auswahl war die noch ungenügende Akzeptanz der neuen Versorgungsstrukturen, genannt Primärversorgungseinheiten. Zum Zeitpunkt des Kongresses bestanden 29 Einheiten, davon 26 Zentren und lediglich 3 Netzwerke. Wieso also wird diese Struktur bisher von den traditionellen Vertragspartnern, den Allgemeinmedizinern nicht angenommen?

Unterschiedliche Zugänge

In mehreren Vorträgen und Statements seitens der ÖGK werden vielerlei Gründe genannt: zu wenig Werbung, zu wenig Information, aber auch eine Ärztekammer, die sich zu langsam bei den Verhandlungen bewegte. Planstellen finden keine Besetzung, andere wiederum sind doch attraktiv und haben 15 Bewerber. Vor allem dann, wenn bestehende Strukturen vorhanden sind oder Hausapotheken als Boni vorliegen. Es herrschte ganz wohl gemerkt etwas Ratlosigkeit unter den Gesundheitsplanern. Dem gegenüber wurden interessante Key Notes über Gesundheitsberufe in der Primärversorgung vorgestellt, beispielsweise „Social prescribing“ in der Hausarztpraxis, was so viel bedeutet wie Sozialarbeiter beim Hausarzt.

Niederschwelliges Angebot

Dazu gibt es derzeit 9 Pilotprojekte, die außerordentlich erfolgreich sind, ein Zukunftsmodell für die niedergelassene Versorgung.
Ein Vortrag der GÖG(Gesundheit Österreich) über moderne Versorgung im RSG(regionaler Strukturplan) Wiens zeigte auf, dass mit der geeigneten Planung die Umsetzung von Primärversorgungseinheiten wohnortnahe, niederschwellig und bedarfsorientiert möglich ist. Es wurden geeignete Standorte ausgewählt anhand von Bevölkerungswachstum, baldiger Pensionierungen und demographischen Daten (Alter, Bildung,…).

Interdisziplinäre Teams für eine Rundumversorgung der Patienten

Am Samstag gab es einen Besuch von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein, selbst ein Allgemeinmediziner. Er präsentierte eine klare Vision für die Zukunft der Primärversorgung. Diese soll auf eine Zusammenarbeit eines interdisziplinären Teams rund um den Patienten stattfinden.

Millionenförderungen eingeplant

Zukünftige Projekte dieser Art sollen mittels einem Aufbau- und Resilienzfonds der EU bis 2026 finanziert werden. Ob diese Vision bis dorthin mit 75 Millionen Euro allein zu erreichen ist und was danach geschieht bleibt auch nach diesem wirklich spannenden und netzwerkreichen Kongress noch offen.

(20OKT2021/Dr. Lukas Heschl, Hausarzt konkret)

Foto: Aktuelle Standorte von neuen Primärversorgungseinrichtungen in Österreich. Foto-Urheber: Grafik ÖGK/Heschl

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