Politiker feiern sich gern öffentlich und stellen ihre Leistungen in gleißendes Licht. Soll sein und ist auch legitim. Dabei vergessen sie allerdings oft geflissentlich jene, die im Hintergrund die wahren Leistungsträger sind. Etwa die Hausärzte. Diese sind für den eigentlichen Erfolg der Impfquote verantwortlich. Wertschätzung dafür gibt es seitens der Politik allerdings keine.

So frohlockte man in einem Artikel der „Badener Zeitung“ über „80.000 Stiche in der Halle B“. 40.000 Corona-Impfungen seien in der Badener Impfstraße verabreicht worden. Zuerst unter der Ägide des Landes NÖ, und nach einer Übernahme der Impfstraße durch die Stadt, nochmals soviele. Alles gut und löblich!

Baden: „Nur“ 80.000 Stiche in Impfstraßen von 300.000 gesamt

Bei genauem Hinsehen, relativiert sich die Sache allerdings ein wenig. Hausarzt Max Wudy vom Verein Hausarzt:konkret tröselt die Statistik auf: „Der Bezirk Baden hat rund 147.000 Einwohner. 73 Prozent (laut Impfdashboard NÖ, Stand 15.1.22) haben mindesten zwei Impfungen erhalten. Das sind in Summe mindestens 214.00 Impfungen. Dazu muss man die mehr als 45 Prozent Auffrischungen erwähnen. Zudem gilt es auch, einige Tausend Einzelimpfungen zu berücksichtigen. In Summe wurden damit mindestens 300.000 Impfungen im Bezirk verabreicht.“ Vermutlich aber eher sogar mehr.

Das bedeutet, so Doktor Wudy, dass von allen über 300.000 Impfungen im Bezirk lediglich 80.000 Menschen in beiden Impfstraßen immunisiert wurden. Zusätzlich seien geschätzt maximal 30.000 Personen in Impfbussen geimpft worden. „Eine niedrige fünfstellige Anzahl,“ resümiert der Arzt.

190.000 Impfungen bei Hausärzten

Was aber ist mit den anderen Impfungen? Wudy klärt auf: „190.000 blieben übrig, die weder in Impfbussen noch in Impfzentren geimpft wurden, sondern wohnortnah und niederschwellig bei den Hausärzten im Bezirk.“

Hausärzte funktionieren allgegenwärtig“

„Aber auf uns Hausärzte wird gerne vergessen, weil wir allgegenwärtig funktionieren“, meint Wudy enttäuscht. So haben die niederösterreichischen Hausärzte im ersten Pandemiejahr auf ihre freien Tage oder ihre Urlaube verzichtet, um die Bevölkerung zu versorgen. Waren doch die Krankenhäuser teilweise ebenfalls massiv heruntergefahren.

So habe es bei den NÖ-Hausärzten im Jahre 2020 um 3000 Schließtage weniger als 2019 gegeben, führt Wudy aus. 2021 sei es vermutlich ähnlich gewesen. Die aktuellen Zahlen liegen noch nicht vor. Nicht eingerechnet wurden hier die behördlichen Schließungen wegen Quarantäne.

Fehlende Wertschätzung

Ein Dank für den unermüdlichen Einsatz der Hausärzte seitens der politischen Verantwortungsträger sei ihm nicht erinnerlich. Wudys Resümee: „Gerade diese fehlende Wertschätzung ist mit eine Ursache für das langsame Verschwinden der Hausärzte. Deren Verlust wird man erst bemerken, wenn sie flächendeckend wirklich weg sind, aber dann wird es zu spät sein.“

„Die im Hellen sieht man nicht“

Die NÖ Hausärzte sind für über 89% der Bevölkerung der primäre Ansprechpartner in gesundheitlichen Fragen, obwohl sie nur einen kleinen Teil der Ärzteschaft darstellen. Die Zufriedenheit und das Vertrauen in diese ist sehr groß, in fast jedem Ranking stehen die Hausärzte ganz weit vorne.

In Umkehr zu Berthold Brecht, so Wudy, könne man wohl sagen: „Die im Hellen sieht man nicht“.

Dieser Artikel bezieht sich auf einen Beitrag in der „Badener Zeitung“ , Ausgabe 2/22 auf Seite 3

LINK zur BADENER ZEITUNG

(WP/27JAN2022)

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Foto: Badener Zeitung

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