Ärztin: „Ich würde mir eine Art nette Bissigkeit erwarten“

Landärzte sind dieser Tage rar. Die Gemeinden und ihre Bürgermeister tun viel, um die medizinische Versorgung sicherzustellen. Aber so richtig „anbeißen“ tun nur wenige. Die Jungärzteschaft hat es lieber bequemer und sucht das Leben in der Stadt, als die fordernde Tätigkeit am Land. „Es ist die Worklife-Balance“, folgert Dr. Karoline Tauchmann aus Weitra im Waldviertel.

50 bis 60-Wochenstunden

„Die hat man als Landarzt nicht. Die reguläre Ordinationszeit wird täglich um mehrere Stunden überschritten. Und zwar vor und nach der Ordination“, spricht die Landärztin Klartext. Da mit eingerechnet sei nicht einmal noch Administratives, Buchhaltung und Bürokratie sondern reiner Patientenkontakt. „Als Landarzt hat man einen Job mit 50 bis 60 Wochenstunden“. Das sei vielleicht der Punkt, „den junge Kollegen und Kolleginnen als unattraktiv empfinden“. Die Generation der Hausärzte, die hochengagiert 24 Stunden an sieben Tagen der Woche erreichbar sind und Dienst an den Menschen macht, also den Job als Mediziner mehr als Berufung denn als Beruf lebte, ist (fast) vorbei. Vereinzelt findet man sie noch. Meist sind es ältere Semester. Die Jungen wollen auch das Leben genießen.

Hohes Schuldenrisiko als Arzt

Außerdem, müsse man viel Geld aufnehmen, um sich als Arzt etwas aufzubauen. „Und dann ist ungewiss, ob der Umsatz pro Monat reicht, um das zurückzuzahlen, meint Tauchmann, die neben ihrer üblichen Tätigkeit auch Bezirksfeuerwehrärztin im Bezirk Gmünd ist.

Krank sein bedeutet kein Einkommen

Was ist, wenn ich krank werde, als Frau schwanger? Immerhin seien „niedergelassene Ärzte“ Selbständige. Da gibt es keine Einkommensfortzahlung wie bei unselbständigen Dienstnehmern. Und habe ich eine Betreuung für meine Kinder, während ich in der Ordination stehe“, fährt Tauchmann fort, „kann ich eine Karenz nutzen?“

Bis zur Geburt in der Ordination

Sie spricht aus  Erfahrung: „Ich habe bis einen Tag vor der Geburt in der Ordination gearbeitet. Ich kann ja nicht drei Monate in Karenz gehen!“ Nach der Geburt mit Kaiserschnitt sei sie nach 14 Tagen wieder als Ärztin arbeiten gegangen. „Das ist nicht leicht! Das wollen vielleicht viele nicht auf sich nehmen.“

Zugangsbeschränkung zum Medizinstudium erleichtern!

Jedenfalls plädiert die erfahrene Ärztin dafür, den Zugang zum Arztberuf etwas zu vereinfachen. Unter ihren Patienten waren junge Menschen, die die harte Aufnahmeprüfung in Österreich zum Medizinstudium nicht schafften und in der Folge nach Deutschland gingen und dort blieben. Menschen, die für unsere Gesellschaft verloren sind.

„Ärztekammer ist nicht präsent!“

Auch an die Ärztekammer hat Doktora Tauchmann eine Botschaft: Auf die Frage, ob sie sich eine bessere Interessensvertretung erwarte, anwortet sie klipp und klar mit „Ja! In jeglicher Form!“ Verglichen mit der Apothekerkammer ist unsere Interessensvertretung nicht präsent“. Die Medizinerin bringt ein einfaches Beispiel: Wenn von der Apothekerkammer Anspruch genommen und gefordert werde, dass Apotheker Impfungen durchführen sollten (was gesetzlich nicht vorgesehen ist, Anm.), werde von der Ärztekammer höchstens ein „nettes Brieferl oder eine Presseaussendung mit einer Ablehnung verfasst“. Und fügt hinzu: „Ich würde mir da schon eine Art nette Bissigkeit erwarten und mehr Engangement bei der Vertretung der Ärzte!“

„Strukturänderungen der Ärztevertretung andenken!“

Auf die Feststellung des Interviewers, dass die Ärzteschaft doch die Personen, die sie vertreten sollen, selbst wählen, erklärt Tauchmann, dass in der Ärztekammer unterschiedliche Ärztegruppen vertreten sind, also nicht nur niedergelassene Ärzte, sondern etwa auch Spitalsärzte. „Ich habe das Gefühl, dass wir als Niedergelassene von unserer Interessensvertretung als Stiefkind behandelt werden.“ In Deutschland gebe es eine eigene Kammer für den niedergelassenen Bereich. Eine Strukturänderung könnte sie sich vorstellen.

Mehr und Aussagen im Detail hier im Video

Zurück zur Startseite