In einem halböffentlichen „Infomail“ beklagt eine Fraktion in der Kurie der Niedergelassenen die Ablehnung ihrer Anträge durch die Mehrheit der Kurienvertreter via Umlaufbeschluss. Dass diese Anträge teilweise rechtswidrig und unausgegoren waren, wird leider übersehen. Heikle Anträge ohne Diskussion per Umlaufbeschluss durchzupeitschen geht nicht, weil es demokratiepolitisch bedenklich ist.

Ein Blick auf einige der eingebrachten und in Folge ohne Möglichkeit zur Diskussion mehrheitlich und zu Recht abgelehnten Anträge:

I. Eingebracht von der „Fraktion Plattform Freiwilligkeit“

1. Die Kurie der niedergelassenen Ärzte möge beschließen, dass in Hinkunft jedes Ergebnis der Vertragsverhandlungen mit der ÖGK einer verbindlichen Urabstimmung unter allen Betroffenen unterzogen wird.

Anmerkung von Hausarzt:konkret: Es ist das Wesen einer repräsentativen Demokratie, dass Delegierte (und Verhandlungsteams) in Vertretung der Wählerschaft Entscheidungen treffen. Dafür wurden sie gewählt. In manchen Situationen ist eine Urabstimmung durchaus sinnvoll. Die Voraussetzungen sollten eingehend diskutiert und nicht einfach in einem Umlaufbeschluss bestimmt werden.

2. Die Kurie der niedergelassenen Ärzte möge beschließen: Der Empfehlungstarif des Impfreferats der NÖÄK für die Impfung im Rahmen des Kinderimpfkonzepts beträgt 25,- Euro, analog der Covid-Impfung. Sollte das Land Niederösterreich einen niedrigeren Tarif vorschlagen, wird den Ärztinnen und Ärzten empfohlen, die jeweiligen Verträge mit dem Land Niederösterreich aufzukündigen und die jeweiligen Impfungen zum Privattarif durchzuführen.

Anmerkung von Hausarzt:konkretAuch hier gilt: Änderungen bedürfen eines seriösen Diskussionsprozesses, das geht nicht über Umlaufbeschlüsse! Einseitige Änderungen wären rechtswidrige Eingriffe in Verträge zu Lasten Dritter! Außerdem verlässt dieser Antrag das soziale Umfeld. Ohne diese Leistungen der Ärzteschaft wäre für manche Familien die Impfung der Kinder nicht mehr leistbar.

3. Die ÖGK wird aufgefordert, der NÖ Ärztekammer die Parallelabrechnung sowie die Diagnosecodierung aller bisher betriebenen PVE seit Beginn deren Tätigkeit laut Vereinbarung zur Verfügung zu stellen.

4. Die NÖ Ärztekammer wird einen geeigneten Sachverständigen mit der Prüfung dieser Daten beauftragen, insbesondere in Bezug auf den Nachweis, ob die PVE in der Praxis überhaupt ihren Versorgungsauftrag gemäß Vereinbarung nachkommen und welche Wirtschaftlichkeit sie aufweisen, insbesondere im Vergleich zu Einzelordinationen.

5. Frühestens wenn diese Daten vorliegen UND daraus ein geeigneter Nachweis über die medizinische und ökonomische Sinnhaftigkeit des bestehenden PVE-Modells an sich gegeben ist, können neue Planstellen bewilligt bzw. neue PVE-Projekte ausgeschrieben werden.

6. Sollte sich in angemessener Zeit kein Nachweis über die medizinische und ökonomische Sinnhaftigkeit des bestehenden PVE-Modells ergeben, wird seitens der NÖÄK gefordert, dass die Modelle – wie in der Vereinbarung vorgesehen – abrechnungstechnisch in die ruhend gestellten Einzelverträge (oder Gruppenpraxisverträge) zurückgeführt und Verhandlungen über die Neuausrichtung der PVE mit der ÖGK aufgenommen werden.

Anmerkung von Hausarzt:konkret: Evaluierungen und die Gegenüberstellung der Bedingungen für PVE-Projekte und Einzelordinationen bzw. andere Organisationsformen sind notwendig und werden genau analysiert werden. Allerdings: Die eingebrachten Anträge (die Punkte 3 bis 6) sind leider teilweise rechtswidrig, da bestehende Verträge eingehalten werden müssen. Wir können es uns als Ärztekammer nicht erlauben, rechtsfreien Raum zu betreten. Daher können derartige Anträge nicht ohne Diskussion via Umlaufbeschlüsse erzwungen werden!


II. Eingebrachte Anträge von der Fraktion #Reload & Co 

1. Die Kurie der niedergelassenen Ärzte möge beschließen, dass zu zukünftigen Honorarverhandlungen mit der ÖGK aus jeder in der Kurie vertretenen Fraktion ein Mitglied entsandt wird.

Anmerkung von Hausarzt:konkret: Die Kurienführung hat das Recht, jederzeit zusätzliche Teilnehmer einzubinden. Wenn jede Fraktion Vertreter in die Honorarverhandlungen schickt, kann dies mitunter zu chaotischen Zuständen führen. Man stelle sich vor, wie Verhandlungsergebnisse aussehen, wenn mindestens acht unterschiedliche Fraktionsmitglieder, teilweise ohne geeignetes Wissen oder Interesse mitreden. Bei Verhandlungen ist die Kurienführung gefragt!

2. Die Kurie der niedergelassenen Ärzte möge beschließen, dass zu zukünftigen Honorarverhandlungen mit der ÖGK professionelle Verhandler beigezogen werden und fasst dazu einen Empfehlungsbeschluss über einen Kostenrahmen von bis zu € 50.000,–.

Anmerkung von Hausarzt:konkret: Das ist ein Antrag ohne Stellenbeschreibung und weitere Definition. Bei der letzten Verhandlung war ein sogenannter Fachmann eingebunden. Dieser hat einen fünfstelligen Betrag für die Beratung kassiert, ohne dass die Kurienversammlung über den Input informiert wurde. Das Ergebnis der Honorarverhandlungen ist bekannt. Wenn es Änderungswünsche bezüglich Verhandlungen gibt, müssen diese diskutiert und können nicht durchgeboxt werden.

3. Die Kurie der niedergelassenen Ärzte möge beschließen, dass zukünftige Kurienversammlungen für alle Kurienmitglieder gestreamt werden.

Anmerkung von Hausarzt:konkret: Wieder ein Antrag, der einer eingehenden Diskussion unterzogen werden muss, denn es gibt für dieses Ansinnen rechtliche und organisatorische Probleme, die im Vorfeld abzuklären sind.

Fazit: In der Kurienversammlung sind Entscheidungen über Diskussionsprozesse im Plenum herzustellen! Dies funktioniert naturgemäß nicht über das Durchboxen von Anträgen über Umlaufbeschluss ohne Diskussion.

(wp/20JAN2023)

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