Hausarzt: Es geht um die menschlich-qualitative Versorgung

Wenn die Ordination zum offiziell vorgesehenen Zeitpunkt endet, geht es für Hausärzte oft noch länger weiter. In der Öffentlichkeit wird das zumeist nicht wahrgenommen. Manchmal muss Administratives in oft aufwändigen bürokratischen Prozessen aufgearbeitet werden oder ein vertrauter Patient ersucht außertourlich um Hilfe.

Etwa bei Hausarzt Samir Tillawi. Nach einem langen Arbeitstag und nach Ordinationsschluss klemmt er sich mitunter noch hinters Telefon um schwerstkranke Patienten oder solche, die sich nach langer schwerer Krankheit im Endstadiums ihres Lebens befinden, zu kontaktieren und zu eruieren, ob er mit seinen Diensten noch helfend eingreifen kann. Dabei ist auch das eigene Familienleben zu berücksichtigen und mit dem Beruf unter einen Hut zu bringen, was auch nicht immer leicht ist.

„Gewissen gebietet zu helfen“

Wenn ein Patient Hilfe benötigt, zu dem man eine langjährige Bindung hat, kann man diesen nicht einfach abweisen“, erzählt Hausarzt Tillawi. Das würde er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren können, erklärt der Mediziner, der im niederösterreichischen Kleinneusiedl eine Praxis betreibt. Denn wenn dann Hilfe benötigt wird, ist meist ‚Feuer am Dach‘, also dieser Mensch in einer Notfallsituation“, so der niedergelassene Arzt. Da gehe es dann nicht um „ein Hautjucken oder eine schlechte Verdauungslage“, so der Doktor.

„Patient nicht allein lassen!“

Also macht sich der Mediziner – etwa im Fall eines Palliativpatienten im Endstadium eines Krebsleidens – auf den Weg um diesem zu helfen. „Es wäre das Schlimmste, jemand, der dem Tod geweiht ist, allein zu lassen. Da geht es um eine menschlich-qualitative Versorgung durch den vertrauten Hausarzt“, erklärt Tillawi seinen Standpunkt.

Hausärzte brauchen ein hohes Maß an Idealismus

Als Hausarzt bringe man in der Regel ein hohes Maß an Idealismus mit in den Beruf. Er kenne viele Kollegen aus dem Bereich der Hausärzteschaft, die ihre Tätigkeit so angelegt hätten.Aber: „Diese Einstellung ist leider keine Selbstverständlichkeit“. Sie erfordere ein hohes Maß an Empathie und auch die Bereitschaft, Zeit außerhalb des offiziellen Dienstes einzubringen. Die Tätigkeit eines Arztes ist daher Beruf und Berufung gleichermaßen. Allerdings: Im Vergleich zu Ärzten bestimmter Fachrichtungen ist die Honorierung eines Hausarztes jedoch wesentlich geringer. „Welcher Arzt  – außer ein Hausarzt – fährt schon außerhalb seiner Dienstzeiten zu einem Patienten?“, stellt Tillawi die Frage in den Raum.

Ein Patient sieht lieber Arzt seines Vertrauens

Natürlich gebe es auch Ärzte in Nacht- und Wochenendbereitschaft, führt Tillawi aus. Das sei auch gut und notwendig. „Ein Patient sieht jedoch am liebsten den Arzt seines Vertrauens, wenn es ihm schlecht geht.“  Der Fall des oben beschriebenen Palliativpatienten sei kein akuter Notfall. Ein Notarzt wäre daher fehl am Platz. Und ein Arzt des Bereitschaftsdienstes müsse sich sowieso eher den Notfällen widmen. Patienten, zu denen dieser Bereitschaft habende Arzt nicht hinfährt, weil es sich eben nicht um einen akuten Notfall handelt, gibt es mitunter fernmündliche Empfehlungen. Etwa, ein bestimmtes Medikament einzunehmen oder in der Nachtapotheke zu besorgen. „Dann sind Patient oder dessen Angehörige erst wieder auf sich allein gestellt“, so der Allgemeinmediziner. Im Fall des hier beschriebenen Palliativpatienten wäre das wenig hilfreich.

Wenig Achtung durch Politik und System

Dies umfassenden Dienste der Hausärzte werden in der Öffentlichkeit oder von Funktionsträgern in Politik und des Gesundheitssystems oft nicht gewürdigt bzw. als selbstverständlich erachtet. Begleitet von oft teilweise befremdlichen Diskussionen über das Einkommen der Hausärzte.

„Würde ein Handwerker um 8 Euro arbeiten?“

„Manche würden sich wundern, für welch geringes Einzelhonorar ein Hausarzt arbeitet“, erklärt Tillawi. Das Basishonorar pro Patient liegt nämlich knapp über 8 Euro (innerhalb der Ordination) – egal, ob man sich ihm zehn oder 30 Minuten widmet. „Fragen Sie einmal einen Handwerker, ob er um diesen Betrag eine Dienstleistung erbringt. Oder gar einen Rechtsanwalt.“ Zudem kommt, dass vor allem junge Ärzte in ihren ersten Jahren der Selbständigkeit hohe Kredite aufnehmen müssten, um ihre Praxis einzurichten. Hohe Mieten sind dabei keine Ausnahme. Das Unternehmerrisiko ist außerdem nicht unbeträchtlich.

Allerdings wolle er sich nicht beschweren, so Hausarzt Tillawi, denn in Summe könne man schon auch gut leben. Und die Freude am Beruf und der Umgang mit Menschen von denen man viel Zuspruch und Dankbarkeit zurückbekommt, wiege so manches Unbill auf.

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(W. Pelz/Okt./Nov. 2021)

Foto: Hausarzt Dr. Samir Tillawi und der typische Notfallkoffer eines Arztes.

Hausarzt Dr. Samir Tillawi, Foto: Privat
Der typsiche Notfallkoffer eines Hausarztes. (Foto: Pelz)