Vor wenigen Wochen hatten Spitzenfunktionäre der Ärztekammer aus allen Bundesländern in einer Pressekonferenz vor einem Finanzkollaps der Österr. Gebietskrankenkasse (ÖGK) gewarnt. Für 2025 wird ein Abgang von 906 Millionen Euro erwartet. Nach einem kurzen Echo in der Medienwelt verhallte dies in den Weiten des Raums.
Nun rief Hausärztin Cornelia Lechner-Tschanett die Thematik erneut in Erinnerung. Sie fühlte sich durch einen Brief der ÖGK in ihrer Tätigkeit als Ärztin eingeschränkt und sogar teilweise bedroht.
„Zuweisungsverhalten unter Beobachtung“
In einem Schreiben forderte die ÖGK Vertragsärzte auf, Überweisungen an Labore restriktiver zu handhaben. Die ÖGK begründet ihren Schritt mit einem Kostenanstieg von 14 % im Bereich der Labordiagnostik im ersten Halbjahr 2024 und fordert Ärzte auf, nur klinisch gerechtfertigte Untersuchungen zu veranlassen und Doppeluntersuchungen zu vermeiden. Die Kasse droht mit der Beobachtung des Zuweisungsverhaltens und „Kontaktaufnahme“ bei Nichteinhaltung.
„ÖGK droht niedergelassener Ärzteschaft“
Cornelia Lechner-Tschanett kritisiert diesen Schritt in einem Interview mit dem Medium „Der Standard“ als Drohung. Davor hatte sie in einem Facebook-Posting die Ursachen der Kostensteigerungen analysiert. Die Hausärztin sieht eine Verlagerung von Leistungen aus Spitälern, eine Zunahme kranker Patienten und eine ausufernde Begehrlichkeit der Patienten nach Untersuchungen als Gründe.
„Umerziehung“
Dazu komme, dass das Ansehen der Hausärztinnen schon lange leide. Wenn sie Patienten sage, etwas gehe nicht, müsse sie mit Übergriffen rechnen. „Zeitgleich müssen wir Schwerkranken erklären, warum sie eine notwendige Untersuchung nicht sofort bekommen“, wird Lechner-Tschanett im „Der Standard“ zitiert. Nun sollen die Ärzte umerziehen. Und dies unter Androhung von Konsequenzen für die Ärzteschaft. Ihr Posting erhielt viel Zuspruch von Kollegen. Sie bemängelt zudem, dass die ÖGK versäumt habe zu definieren, was im Leistungskatalog enthalten ist und was nicht, und sieht einen Riss im Vertrauensverhältnis zwischen Ärzten und Kasse.
Verschlechterung der Patientenversorgung droht
Es werde notwendig sein, dass sowohl Ärzte als auch die Kasse an einer klaren Kommunikation und an der Definition von Dienstleistungen arbeiten. Die Anliegen der Hausärzte müssen gehört werden, um eine nachhaltige Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Werden die Spannungen zwischen den Ärzten und der Kasse nicht gelöst, führe dies zu einer Verschlechterung der Patientenversorgung, einer Abwanderung von Ärzten aus dem System und einer weiteren Überlastung der niedergelassenen Ärzte, so Lechner-Tschanett.
ÖGK: Maßnahmen gegen Doppelbefundungen
Die ÖGK weist den Vorwurf einer Drohung zurück und betont, es gehe um die Notwendigkeit der Zuweisungen. Man sehe auch andere Ursachen für die Kostensteigerungen, wie Doppelbefundungen und mangelnde Aufklärung der Bevölkerung. Die Kasse kündigt Maßnahmen zur Vermeidung von Doppelbefundungen und zur Aufklärung der Bevölkerung an.
Der vielbeachtete Artikel im „Der Standard“ führte zu heftigen Diskussionen im Leserforum mit knapp 1400 Posts.
Zum Artikel: https://www.derstandard.at/story/3000000259638/praktische-aerztin-warnt-vor-einem-kippen-des-kassensystems
(wp/06MÄR2025)