Wochenend- und Bereitschaftsdienste sind ein latentes Problem im Bereich der Kassenärzte. Nicht nur, aber vor allem in Niederösterreich. In manchen Sprengeln funktionieren sie klaglos, in anderen überhaupt nicht. Die Oberösterreichischen Nachrichten nehmen sich der Thematik anhand eines Beispiels in St. Valentin (Bezirk Amstetten) an, nachdem „Beschwerden“ an die Redaktion herangetragen wurden. Der zuständige Redakteur eröffnete den regionalen Ärzten die Möglichkeit zur Stellungnahme. Daraus entstand ein, dem knappen Rahmen einer Tageszeitung angepasster Artikel, der die Problematik gut beleuchtet. HIER LESEN

Auf der Homepage von Hausarzt:konkret steht naturgemäß etwas mehr Platz zur Verfügung, weshalb die Materie vertieft werden kann.

Bereitschaft für lokale, sprengeleigene Bevölkerung

In St. Valentin organisiert die regionale Ärzteschaft die Bereitschaftsdienste – wie offiziell vorgesehen – freiwillig. „Vier bis fünf Ordinationen teilen sich das im Radl ein“, erklärt Hausärztin Bettina Schnopfhagen-Matura die Situation. Unabhängig von der Ärztekammer. Man steht an Samstagen, Sonntagen und feiertags von 9 bis 11 Uhr für dringende medizinische Probleme bereit. In örtlichen Medien wird dies regelmäßig angekündigt.

Haus- und Kinderärztin Katja Kern erklärt warum man dies unabhängig von der Ärztekammer organisiert: „Das Angebot ist vor allem für die lokale Bevölkerung gedacht und wird gut angenommen.“ Wären die Bereitschaftsdienste auf der Homepage der Ärztekammer einsehbar, würden auch sprengelfremde Personen kommen.“ Für diese ist deren eigener Hausarzt zu regulären Ordinationszeiten zuständig, zumal dringende medizinische Problemfälle seltene Ausnahme sind. Lebensbedrohliche Notfälle seien sowieso Sache für Rettung, Notarzt und Krankenhaus.

„Wochenendienste für akute Fälle“

„Es sollte klar sein, dass der Bereitschaftsdienst am Wochenende keine zusätzlichen Öffnungszeiten darstellt, sondern für dringende, akute Konsultationen angeboten wird,“ ergänzt Hausärztin Silvia Reisner aus Amstetten. Sie macht keine Wochenenddienste mehr: „Die wenigsten Patienten, die am Wochenende in die Ordination kamen, waren Notfallpatienten. Und wenn man dringende Fälle selbstverständlich vorzieht, wird man von anderen wartenden Patienten noch aggressiv angepflaumt.“ Manche Patienten machten es sich überhaupt leicht und setzten auf Visiten mit einer einfachen Begründung. Es sei bequemer, zu Hause auf den Arzt zu warten, als in die Ordination zu kommen. Aber: „Ich bin für meine schwerkranken Patienten auch am Wochenende erreichbar. Sogar privat.“

Wichtig: akute oder sogar lebensbedrohliche Notfälle werden vorwiegend über den Notruf NÖ (Tel.: 141), über die Kurznummer 1450 oder über den Rettungs-Notdienst 144 betreut.

Wochenende als Ruhe- und Regenerationszeit

Es gibt schwerwiegendere Gründe, warum Ärzte ihre Bereitschaftsdienste mitunter aussetzen müssen: „Aufgrund des Mangels an Hausärzten, sind manche Ordinationen bereits während der Woche extrem belastet, da die Anzahl der behandelten Patienten oft über dem Limit liegt“, beleuchtet Allgemeinmedizinerin Kern die Situation von einer anderen Seite. „Sowohl Ärzteschaft als auch Ordinationsmitarbeiter benötigen das Wochenende als Ruhe- und Regenerationszeit.“

„Wir sind am Limit“ – Kooperation hilft an Wochenenden

Hier hakt auch Hausärztin Iris Solf-Thron aus Krems ein: „Wir sind am Limit! Uns geht die Luft aus! Alles wird ausgelagert und auf uns abgewälzt.“ Die Zahl der täglichen Konsultationen habe sich in den letzten Jahren verdoppelt. Zudem habe die Bürokratie enorm zugenommen. Und an Wochenenden pilgerten dann Patienten aus weit entlegenen Sprengeln ohne Not quer durch Niederösterreich in die Ordinationen. Das ist nicht Sinn einer ortsnahen Betreuung. Dazu komme, dass „wir Ärzte in den letzten Jahren angefeindet und medial immer wieder durch den Schmutz gezogen werden“. Das sei zusätzlich belastend, so Solf-Thron. Dennoch arbeite die Ärzteschaft im Sprengel Krems sehr gut zusammen. Hier setzen, gemeinsam mit einem Nachbarsprengel, zwölf (!) Ordinationen auf Kooperation. „Dadurch verteilen sich die Wochenend- und Bereitschaftsdienste auf eine breitere Basis“. Die regelmäßigen Wochenenddienste von 8 bis 14 Uhr werden auf der Ärztekammer-Homepage veröffentlicht. Es liege oft „am Zusammenhalt der Ärzteschaft in einem Sprengel, ob die Bereitschaftsdienste funktionieren oder nicht“, analysiert Solf-Thron.

„Ärzte sind keine Maschinen“

Hausarzt Samir Tillawi aus Klein-Neusiedl gibt zu bedenken, dass viel zu wenig auf die Arbeitsbelastung der Ärzteschaft Rücksicht genommen werde: „Ärzte sind keine Maschinen! Wäre ich eine solche, hätte ich schon einen Kolbenreiber!“, meint Tillawi anschaulich. Daher biete er keine Wochenenddienste mehr an: „Ich bin in unserem Sprengel der einzige Arzt, der fünf Tage in der Woche ordiniert. Das freie Wochenende brauche ich, um wieder Kraft zu tanken und mich meiner Familie widmen zu können.“

„Druck von der Basis notwendig!“

In Amstetten ist Allgemeinmediziner Gerhard Walter der einzige praktische Arzt, der Wochenenddienste offiziell über die Ärztekammer(-Homepage) anbietet. Zwölfmal pro Jahr. Er sei noch ein Arzt vom alten Schlag und erachte es als eine selbstverständliche Pflicht, an den vorgesehenen Wochenenden für Patienten da zu sein. Aber er habe „ein gewisses Verständnis für die Kollegen, die das nicht mehr machen wollen oder nicht mehr können“. Es gebe zudem „viel zu wenig Ärzte“. Die Problematik der unbesetzten Wochenenddienste sei auch schon lange bekannt. „Die maßgeblichen Verantwortungsträger wissen seit vielen, vielen Jahren darum – aber es wurde und wird nichts oder zu wenig gemacht.“ Hausarzt Walter übt auch Kritik an der eigenen Interessensvertretung: „Manche Funktionäre der Ärztekammer agieren allein aus persönlichem Eigeninteresse heraus.“ Walters Schlussfolgerung: „Wahrscheinlich müsste sich österreichweit die Basis der niedergelassenen Ärzte zusammenschließen und Druck auf die Kammer ausüben, damit hier endlich etwas passiert.“

„Verantwortungsträger sind gefordert“

Hausarzt Stefan Matura, ebenfalls aus St. Valentin, sieht es ähnlich, wenn er die „Player“ im Gesundheitssystem in die Pflicht nimmt: „Sozialversicherung (ÖGK) und öffentliche Hand sind gemeinsam mit der Ärztekammer gefordert, Lösungen im Sinne von Patienten- und Ärzteschaft hinsichtlich der Bereitschaftsdienste herbeizuführen.“

Dass es so nicht weitergehen könne, darüber dürfte ein breiter Konsens in der Ärzteschaft Niederösterreichs bestehen.

(wp/05AUG2022)

Info der Ärztekammer zu Wochenend- und Bereitschaftsdiensten

Letzte Aktualisierung: 06. August 2022

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